Projekt Marrakesch – Die Abholung

      Nachdem alle Formalitäten rund um den Kauf erledigt waren, stand der nächste Schritt an: die Abholung. Doch wie das Leben so spielt – alles, was gut und groß werden soll, bekommt man nicht geschenkt. Auch dieser Porsche nicht. Der Wagen wartete nicht etwa abholbereit in einer Garage. Nein. Er stand hinter dem Haus, um die Ecke, getrennt durch eine lange und äußerst schmale Einfahrt. Eine einfache Wiederbelebung würde das hier sicher nicht werden. Und ein „automobiler Kaiserschnitt“ war ebenfalls ausgeschlossen. Also blieb nur eines: pressen, fluchen, schieben, ziehen, lenken. Zumindest in der Theorie. Zuerst mussten die Reifen Luft bekommen – und im besten Fall auch behalten. Und tatsächlich: sie hielten. Rund, straff, bereit. Ein kleiner Sieg, aber ein wichtiger. Nun ging es ans Bewegen. Und hier kam dann alles, was vorher nur angedeutet war – nur mit deutlich mehr Fluchen. Die 25 Standjahre hatten Spuren hinterlassen. Die Bremsen waren komplett fest. Also hal...

Projekt Marrakesch – Die Entscheidung am Küchenfenster

 


Manchmal beginnt ein neues Abenteuer nicht mit Motorgeräuschen
oder dem Drehen eines Zündschlüssels,
sondern mit einem einfachen Gespräch am Küchentisch.

Bevor aus einer Idee ein Projekt werden konnte,
bevor „Marrakesch“ mehr war als eine vage Richtung auf einer Landkarte,
musste ich jemanden überzeugen,
der mit diesem Wagen weit mehr verband als Blech, Technik oder Wert.

Die Besitzerin des Porsche.

Für sie war der 944 nie nur ein Auto.
Er war ein Teil ihres Lebens,
ein stiller Begleiter,
ein Gefährte ihres Mannes,
der vor fast einem Vierteljahrhundert verstorben war.
Seit jenem Tag stand der Wagen auf demselben Platz,
unausgesprochen bewacht durch das Küchenfenster,
als wäre dieser Blick hinunter in den Hof
ein letzter Faden, der die Vergangenheit festhielt.

Jeder, der den Porsche kaufen wollte,
stieß nicht an eine Preisvorstellung –
sondern an eine emotionale Grenze.
Denn wenn der Wagen gehen würde,
würde eine neue Lücke entstehen.
Keine Karosserie mehr, die durchs Fenster zu sehen war.
Kein vertrauter Umriss.
Keine Verbindung zu einem Leben, das längst weitergezogen war.

Als wir uns trafen, ging es nicht um technische Fragen,
nicht um Rost, um Papiere oder um Verhandlungen.
Es ging darum, Vertrauen zu schaffen.
Zu zeigen, dass der Porsche nicht in irgendeiner Werkstatt verschwinden würde,
nicht ausgeschlachtet, nicht lieblos weitergereicht werde.

Wir sprachen lange.
Über Erinnerungen, über Reisen, über das Auto,
über Dinge, die man nicht in Fotos festhalten kann.
Sie wollte wissen, wer ich bin,
warum gerade ich diesen Wagen wollte,
und was ich mit ihm vorhabe.
Eine Art persönliches Bewerbungsgespräch –
nur mit mehr Herz als Formalität.

Während sie erzählte, stand die Tasse Kaffee zwischen uns,
und hinter ihr, durch das Fenster,
sah ich den Porsche: still, verstaubt, eingefroren in seiner eigenen Zeit.

Irgendwann, ohne dass es ein bestimmter Satz auslöste,
veränderte sich etwas.
Ein Moment, der leise entsteht,
ohne dass man ihn kommen sieht.

Sie atmete tief durch, lächelte ein wenig
und sagte schließlich:

„Ja. Nehmen Sie ihn.
Er soll wieder fahren.“

Damit fiel die Entscheidung:
Er wird mein Auto.
Meine Verantwortung.
Mein nächstes Kapitel.

Und irgendwo zwischen Kaffee, Erinnerung
und dem Blick aus diesem Küchenfenster
wurde Projekt Marrakesch geboren.

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